Erschöpfte Mama – Was kann man tun?

Wer den Begriff Personal Training hört, denkt meist erst einmal an pures Fitnesstraining. Gestählte Körper, braungebrannt und gut gelaunt. Zumindest suggerieren das unzählige Bilder auf Webseiten oder in Zeitschriften. Um die Komplexität und Vielfältigkeit unseres Berufes aufzuzeigen, möchte ich gern einige Fälle skizzieren, bei denen weit mehr als ein „Sportlehrer“ gefragt ist. Gerade wenn Themen wie Erschöpfung, Müdigkeit, schwaches Immunsystem und andere, teilweise wenig greifbare Anzeichen auftauchen, reicht es nicht, zu mehr Bewegung zu animieren. Da muss ganzheitlich geschaut werden, wo die Ursachen liegen könnten. Das beginnt IMMER mit einem ausführlichen Gespräch.

In diesem Fall durfte ich einer erschöpften Mutter zur Seite stehen. Das ist absolut kein Einzelfall, im Gegenteil, es gibt leider viel zu viele Mütter, die mit ihrer Kraft und den Ressourcen am Limit sind. Besonders komplex macht diesen Fall das aufgeweckte, aktive Kind, das gegen Abend noch einmal richtig aufblüht. Die Mama hat bereits vieles ausprobiert, um dem Kind einen ruhigen Übergang in den Abend zu ermöglichen und etwas herunterfahren zu können, jedoch zeigten Vorlesen, Kindermeditation bzw. Traumreisen oder viel frische Luft keine Veränderung. Ich möchte hierbei darauf hinweisen, dass nicht darum geht, ein Kind ruhig zu stellen, sondern durch Rituale vielleicht ein wenig mehr Raum und Zeit für die Mama zu schaffen.

Im Gespräch wurde sehr schnell deutlich, dass wir vorerst keinen Trainingsplan erstellen müssen. Es wäre der falsche Weg, der Mutter noch mehr „Zu erledigen“ Aufgaben zu geben. Ein großes Thema ist der Faktor Zeit. Zeit für die Familie, die Kinder, den Partner und ganz besonders für sich selbst. DENN: es ist KEIN Egoismus, wenn ich mir als Mutter (oder Vater) ganz bewusst Auszeiten nehme und diese auch einfordere. Kürzlich las ich folgenden Spruch: „Wenn du für andere da sein willst, denk an die Sauerstoffmaske im Flugzeug. Da musst du erst sicherstellen, dass es dir gut geht und dann kannst du dich auch um andere kümmern.“ Anders gesprochen, du kannst nur etwas aus deinem Glas Wasser abgeben, wenn auch etwas darin ist. Die Familie zählt zu den stärksten Bindungen, die wir als Menschen haben können. Daher ist es nur zu offensichtlich, dass unsere Kinder unser Leben und die Bindungen bereichern und beleben können. Neben den ganzen wunderbaren Momenten gibt es auch Situationen, in denen uns die Kinder aus dem Gleichgewicht bringen, an unserer Kompetenz zweifeln oder in alte Muster zurückfallen lassen, die wir selbst aus Kindheitstagen nicht gemocht haben.

Wie kann man einer Mutter helfen zu mehr Ruhe im Alltag zu finden

Ständiger Zeitdruck

Nun ist das heutzutage mit der Zeit so eine Sache. Ständig haben wir die Uhrzeit im Hinterkopf. Bis 15 Uhr läuft das Meeting, dann schnell den Nachwuchs aus der Kita abholen, noch fix auf den Spielplatz. Ach, auf dem Weg dahin muss ich aber noch mal im Supermarkt etwas für’s Abendessen holen. Auf dem Spielplatz angekommen, kreiseln schon die Gedanken: „Hoffentlich klappt heute Abend alles und die kleine Maus schläft schnell ein, ich wollte doch noch eine kleine Runde Sport machen und ein paar Seiten im Buch lesen“. Ehrlich, welche Mutter kennt dieses oder ähnliche Szenarien nicht? Und das sind die guten Tage, wehe abends melden sich plötzlich Ohrenschmerzen oder am Tag ruft die Kita an, weil das Kind Fieber oder erbrochen hat (in der Regel zieht das nämlich eine Krankschreibung nach sich, weil das Kind 48 Stunden beschwerdefrei sein muss). Und schon fliegt einem das Tetris Spiel im Kopf um die Ohren.

Es ist nicht verwunderlich, dass viele Eltern auf Sparflamme laufen. Zeit für sich selbst ist ebenso wichtig, wie die Zeit für den Nachwuchs. Wenn ich mit Müttern (oder Vätern) darüber spreche, dann fällt die Entscheidung immer ganz klar aus – Pro Kind! Was auch vollkommen nachvollziehbar ist, zumindest in akuten und zeitlich limitierten Phasen. Auf Dauer wird dies schwierig, da der eigene Akku leerer wird, die Unzufriedenheit wächst und die Qualität im Umgang mit den Kindern wird unausgeglichener. Und Zack – herzlich willkommen im Kreis der Herausforderungen.

Mama erschöpft vom Alltag - was tun?Es gibt da den Satz „Kinder spiegeln die Eltern“. Auch wenn wir den nicht so gern hören wollen, trifft er in einem solchen Szenario voll zu. Wir haben eine innige Bindung zu unseren Kindern und Kinder schöpfen noch vollkommen andere Potentiale aus, die wir mit den Jahren leider mehr und mehr vergessen. Empathie zum Beispiel. Kinder spüren wie es uns geht und was mit uns los ist. Auch wenn sie es nicht kommunizieren können, doch reagieren werden sie. Das Kind wird unruhig, da es die innere Unruhe der Eltern fühlt. Vielleicht will uns das Kind unbewusst ein wenig unserer Energie abnehmen oder es eifert uns nach und möchte ein ähnliches Niveau des inneren Treibens erreichen wie die Eltern. Fakt ist jedoch, dass die Kleinen dies nicht oder nur schwer einschätzen und kontrollieren können. Und eine wichtige Tatsache darf man nicht außer Acht lassen: die kleinen Wirbelwinde haben einen größeren Energiespeicher als die Eltern 😉 Die Göttin der Jugend, Hebe, verleiht hier übermächtige Kräfte gegen die die Eltern nicht ankommen können. Oder doch?

Was tun?

Wenn die Erschöpfung da ist, sollte man auf jeden Fall genau nach den Energieräubern schauen. Es hilft, eine Art Inventur zu machen. Wie läuft der Alltag ab? Was könnte verbessert werden? Vielleicht auch mal fragen: was ist unwichtig oder kann auch noch liegen bleiben? Womit verbringen wir eigentlich unsere Zeit? In welcher Qualität. Wenn ich gleichzeitig versuche, mich dem Kind zu widmen, eine bestimmte Tätigkeit im Haushalt zu erledigen und vielleicht selbst noch mit einem Auge fernsehe oder im Internet unterwegs bin, mache ich zwar viel, aber nichts richtig bewusst. Das erzeugt Stress. Im Ergebnis bekommt dann vielleicht das Kind mein Durcheinander ab, weil es mich mit gefühlt 1000 „Warum“ Fragen löchtert und ich nur noch genervt antworte. Solche Situationen lassen sich nicht immer komplett vermeiden. Dennoch kann man versuchen, Qualität über Quantität zu stellen.

Wenn ich mir z.B. bewusst Zeit nehme nach dem Heimkommen, mit dem Kind oder den Kindern auf Augenhöhe zu sprechen, nach ihrem Tag zu fragen, mir anzuhören, was sie gespielt oder gelernt haben, ist das vielleicht „nur“ eine halbe Stunde, aber diese dann mit voller Aufmerksamkeit auf die Beziehung zwischen mir und meinem Kind. Das kann auch verhindern, dass die Kleinen kurz nach dem Bettgehen aufgeregt ankommen, weil es noch so viel zu erzählen gibt. Wir Erwachsenen wollen und sollten uns ja ebenfalls nach dem Arbeitstag austauschen. Danach kann man das Kind darauf hinweisen, dass die nächste halbe Stunde für die Vorbereitung des Abendbrotes oder Wäsche etc. benötigt wird und das es sich in dieser Zeit mit dem Lieblingsspielzeug oder einem Buch beschäftigen kann. Eine klare Vorgabe der Zeit hilft dabei, selbst wenn die Kleinsten noch kein Gefühl dafür haben. Man könnte dem Kind auf der Uhr zeigen, wie lange man für die Aufgabe benötigt. So fühlt es sich einbezogen. Für das Elternteil bedeutet es, in kurzer Zeit effektiv eine Arbeit zu schaffen, ohne auf die Multitasking-Miene zu treten.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie man Zeit klarer strukturieren kann, wobei deutlich gesagt werden muss, dass das ein Prozess ist und wahrscheinlich nicht gleich am ersten Tag perfekt abläuft. Routinen helfen ungemein, sowohl dem Kind als auch der Mama oder dem Papa. Das Kind lernt so einen weiteren wichtigen Wert: Transparenz. Ich kann dem Kind sagen, dass ich gleich eine Aufgabe erledigen möchte, damit ich dann schnell wieder für es da sein kann. Ich kann auch sagen, dass ich müde bin und vielleicht am Wochenende 20 Minuten Mittagsruhe exklusiv für mich haben möchte (sicher noch sehr vom Alter des Kindes abhängig, aber auch hier hilft Routine). Und ja, das Kind sollte auch lernen, dass Mama gern alleine aufs Klo geht.

So wichtig die Routinen für das Kind in diesem Prozess sind, so positiv wirken sie sich auch auf einen selbst aus. Dabei ist aus meiner Erfahrung heraus sehr entscheidend, ein Ritual zu etablieren, dass es einem ermöglicht, ganz bewusst von einer Lebenswelt in eine andere zu wechseln. Das könnte z.B. ein Spaziergang sein oder ein Atemritual. Oft hilft es auch, die Arbeitskleidung zu wechseln und in etwas Bequemes zu schlüpfen, was mich auch fühlen lässt, dass ich daheim bin. Etwas, dass das Gedankenkarusell im Kopf stoppt und verhindert, den Arbeitsalltag in die Freizeit zu übertragen. Eine klare Trennung hilft dabei, einen Teil des Tages abzuschließen, um einen anderen mit der Familie oder Freunden bewusst und gelassen genießen zu können.

Alltag mit Kind - Mutter erschöpft

Eigene Werte definieren

Genauso wie Kinder Werte vermittelt bekommen (sollen), die das Zusammenleben harmonisch machen, müssen wir uns selbst darüber bewusst sein:

  • Warum bin ich gerade gestresst? Wieso habe ich gerade so reagiert? Wo und wie spüre ich die Unzufriedenheit?

Je mehr Klarheit man über sich bekommt, desto besser kann man diese dann auch kommunizieren oder als Handlungskompetenz umsetzen. Und dabei zählt nicht: „Ich bin gestresst, weil mein Kind sich nicht anzieht oder beim Zähne putzen durch die Wohnung tanzt.“ Oft geht es tiefer. Was nehmen Sie wahr und wie können Sie das zu Ihrem Vorteil (in Zukunft) nutzen. Erst, wenn ich mir selbst darüber bewusst bin, welche Werte ich habe, was mir wirklich wichtig ist (fernab von Meinungen durch Ratgeber, Freunde, Eltern, Schwiegereltern…), kann ich meinem Kind die Richtung zeigen, in die wir uns bewegen wollen. Ich kann ihm einen sicheren, geschützten Raum geben, in dem es sich entfalten kann und gleichzeitig Ruhe findet.

Fazit: Bei unserem nächsten Treffen konnte mir die Mama berichten, dass die Abende dank der neuen Routine ruhiger ablaufen und das Kind schneller in den Schlaf fand. Dadurch wurde es gleichermaßen für die Mutter entspannter, es steht mehr Zeit zur Verfügung, um die eigenen Akkus wieder aufzuladen.

 

 

 

 

 

Ein Kommentar

  • […] Ken Niestolik, ein Personal Trainer aus Leipzig, schreibt darüber, warum Sport und Training manchmal nicht erste Prämisse sind, wenn Mütter einfach nur erschöpft sind, und gibt Ideen, aus der Spirale auszubrechen. Hier gehts zum Artikel. […]

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